Trennungsgründe

Scheidungsgründe: Katholisches Kirchenrecht & heutiges Scheidungsrecht

Donnerstag, 29. Oktober 2020, geschrieben von .

Scheidungsgründe: Katholisches Kirchenrecht & heutiges Scheidungsrecht

Lassen Sie sich heutzutage vom Ehepartner scheiden, kommt es nur noch darauf an, dass Ihre Ehe gescheitert ist und Sie nicht mehr die Absicht haben, Ihre eheliche Lebensgemeinschaft herzustellen. Um Ihre Scheidung zu rechtfertigen, brauchen Sie ansonsten keine Scheidungsgründe zu benennen. Insbesondere eheliche Verfehlungen spielen keine Rolle und sind keine Voraussetzung für eine Scheidung.

Früher war das anders. Früher brauchten Sie tatsächlich einen Scheidungsgrund. Wenn wir uns die Scheidungsgründe ansehen, die früher nicht akzeptiert wurden, heutzutage aber akzeptiert werden, tauchen wir in die überaus interessante Geschichte des Ehe- und Scheidungsrechts ein.

Gibt es Scheidungsgründe in der Bibel?

In der Bibel spielte die Ehe als anerkannte Institution zwischen Mann und Frau noch keine wirkliche Rolle. Lebten Mann und Frau zusammen, war das einfach nur eine Tatsache. Das „eheliche“ Zusammenleben war nichts anderes als eine Lebensform, in der Mann und Frau ihr gemeinsames Leben gestalteten. Erst im römischen Reich wurde die Ehe als Lebensform anerkannt, der eine gewisse rechtliche institutionelle Bedeutung beigemessen wurde.

Nach der Lehre der römisch-katholischen Kirche ab dem 11. Jahrhundert galt die Ehe zwischen Mann und Frau als eine gottgegebene Institution und damit als ein heiliges Sakrament. Diese Verbindung sollte ein Leben lang dauern, mit der Folge, dass eine Scheidung nicht in Betracht kam und auch heute noch nicht in Betracht kommt. Die Ehe endet allenfalls mit dem Tod eines Ehepartners. Erst ab etwa 1500 wurden, vornehmlich unter dem Einfluss der Reformation Martin Luthers, Scheidungen in Betracht gezogen.

Scheidungsgründe nach katholischem Kirchenrecht

Nach katholischem Eheverständnis ist die Ehe unauflösbar. Die Kirche beruft sich auf den Evangelisten Markus. Bei diesem heißt es: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“. Scheidungsgründe konnte es insofern keine geben. Die Ehe galt und gilt auch heute noch als Sakrament und Gnadenmittel göttlicher Heilsordnung.

Das katholische Kirchenrecht benennt jedoch zumindest Gründe, nach denen eine gültige Eheverbindung nicht zustande gekommen ist und daher ein Ehenichtigkeitsverfahren erlaubt ist (z.B. Paulinisches Privileg). Demgegenüber ist die Ehe nach evangelischem Verständnis nicht religiös begründet, sondern stellt eine weltliche Angelegenheit dar. Die Trauung wird als Segnungsfeier betrachtet. Da die Ehe weltlich begründet und damit eine Art Vertrag darstellt, muss eine Scheidung möglich sein.

Welche Scheidungsgründe kamen früher in Betracht?

Pauschal lässt sich die Frage so nicht beantworten. Es kommt immer auf das Zeitalter an, das betrachtet wird. Interessant ist das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794. Es bestand bis zum Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches am 1.1.1900 und bezeichnet in 41 Paragrafen in der damals üblichen Sprache potentiell mögliche Scheidungsgründe. Erstmals wurde gesetzlich geregelt, dass die Ehe bei einem verschuldeten Fehlverhalten eines Ehepartners geschieden werden konnte. Meist ging es um irgendwelche Pflichtverletzungen eines Ehepartners.

Als verschuldete Scheidungsgründe kamen in Betracht:

  • Ehebruch
  • Bösliche Verlassung
  • Versagung der ehelichen Pflicht
  • Lebensnachstellung
  • Grobes Verbrechen
  • Unordentliche Lebensart
  • Versagung des Unterhalts

Daneben finden sich auch verschuldensunabhängige Scheidungsgründe:

  • Gegenseitige Einwilligung zur Scheidung bei unüberwindliche Abneigung

Info: Die Scheidung bei unüberwindlicher Abneigung begrenzt den Anwendungsbereich auf „ganz kinderlose Ehen“, bei denen auch künftig keine Hoffnung auf die Geburt von Kindern bestand. Gedanke war, dass die Ehe nicht nur als ein privatrechtlicher Vertrag betrachtet wurde, sondern auch ein fundamentales soziales Ordnungsgefüge darstellte. Dieses Gefüge beinhaltete, dass zum Fortbestand der Gesellschaft Kinder notwendig sind und Kinder idealerweise in einer Ehe geboren werden.

  • Impotenz
  • Ekelerregende Krankheit
  • Wahnsinn
  • Veränderung der Religion

Bis auf den Scheidungsgrund Impotenz und vielleicht Verletzung der in früheren Zeiten vorwiegend dem Mann obliegenden Unterhaltspflicht gab es keine speziellen Scheidungsgründe für Frauen oder Scheidungsgründe für Männer. Ehebruch oder Lebensnachstellung kennen kein Geschlecht.

Alle diese Scheidungsgründe spielen im heutigen Ehe- und Scheidungsrechts keine Rolle mehr. Heutzutage kommt es nicht mehr auf irgendwelche Scheidungsgründe an. Es genügt, dass die Ehe gescheitert ist.

Das anfängliche Eherecht des Bürgerlichen Gesetzbuches vom 1.1.1900 beruhte gleichfalls noch auf dem Verschuldensprinzip. Es erlaubte Scheidungen nur, wenn einer der Ehegatten durch eine schuldhafte Verletzung einer ehelichen Pflicht seinen Anspruch auf die eheliche Gemeinschaft verwirkt hatte. Das Verschuldensprinzip kannte vier Tatbestände, nämlich: Ehebruch, Lebensnachstellung, bösliche Verlassung und allgemein die schwere Verletzung ehelicher Pflichten.

Das BGB unterschied absolute Scheidungsgründe, bei denen das Verschulden als solches zur Scheidung führte und relative Scheidungsgründe, wenn die Zerrüttung der Ehe als weitere Voraussetzung neben dem Verschulden gefordert wurde. Eine Ausnahme vom Verschuldensprinzip wurde auch insoweit anerkannt, als die Scheidung wegen der Geisteskrankheit eines Ehegatten ermöglicht wurde. Das Scheidungsrecht des BGB wurde über die Jahrzehnte hin fortentwickelt und fand seinen Abschluss darin, dass das Verschuldensprinzip 1976 durch das Zerrüttungsprinzip abgelöst wurde.

Damit wir uns richtig verstehen: Die früher mehr oder weniger anerkannten Scheidungsgründe spielen zwar rechtlich heutzutage keine Rolle mehr. Dennoch sind sie vielfach Ursache dafür, dass sich Ehepartner trennen und scheiden lassen. Schließlich hat jede Scheidung irgendwo eine Ursache (z.B. Ehebruch). Der Unterschied zu früher ist nur, dass diese Ursache sich im Vorfeld abspielt und für die Durchführung des Scheidungsverfahrens und der damit verbundenen Rechtsfolgen so gut wie keine Rolle mehr spielt.

Warum ist das früher geltende Verschuldensprinzip problematisch?

Das bis ins Jahr 1976 geltende Verschuldensprinzip war problematisch. Kritisch war, dass das Verschuldensprinzip die eheliche Verfehlung eines Ehegatten bestrafte. Das Gesetz übertrug dem Richter die Aufgabe, die Schuldfrage aufzuklären. Dazu musste der Richter tief in die Intimsphäre der Ehepartner eindringen und hatte naturgemäß Schwierigkeiten, die Gegebenheiten zweifelsfrei zu klären.

Das damit verbundene Problem bestand auch darin, dass ein Ehepartner, der die Scheidung wünschte, dem Partner eine eheliche Verfehlung nachweisen musste. Wer sich beispielsweise auf „bösliche Verlassung“ berufen wollte, musste nachweisen, dass der Partner den anderen tatsächlich böswillig verlassen hatte. Dass damit Nachweisschwierigkeiten verbunden waren und der Richter sich auf die Aussagen der beteiligten Ehepartner verlassen und gegebenenfalls Dritte als Zeugen beiziehen musste, lag auf der Hand. Im Grunde lief vieles auf einen Indizienprozess hinaus.

Problematisch war auch, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sein konnte, eine Ehe mit der Feststellung der Schuld moralisch zu bewerten. Das Verschuldensprinzip gefährdete den Rechtsfrieden, weil die Ehepartner sich gegenseitig mit Schuldvorwürfen angreifen mussten und Scheidungsgründe oft vorgetäuscht wurden. Es erwies sich in vielen Verfahren als unerträglich, dass im Scheidungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor dem Familienrichter schmutzige Wäsche gewaschen wurde und sich die Ehepartner zuvor in Schlammschlachten und Rosenkriegen auf das Scheidungsverfahren vorbereiteten.

Alles in allem

Das Ehe- und Scheidungsrecht hat sich über die Jahrhunderte entwickelt und eine weitläufige und ungemein tiefgehende Entwicklung durchgemacht. Das, was wir heute als selbstverständlich erachten, war früher nicht denkbar.

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