Lebt Ihr Kind nach Ihrer Trennung oder Ihrer Scheidung bei Ihrer Ex-Partnerin oder Ihrem Ex-Partner, haben Sie ein Umgangsrecht mit dem Kind. Jeder Elternteil ist verpflichtet, den Kontakt zum anderen Elternteil zu fördern und auf das Kind einzuwirken. Soweit die Theorie. Im Lebensalltag sehen sich viele Elternteile mit dem Problem konfrontiert, dass der betreuende Elternteil den Umgang des anderen mit dem Kind schlichtweg verweigert. In diesem Ratgeber erfahren Sie, was Sie tun können, wenn Sie den Umgang mit Ihrem Kind ermöglichen wollen.
Tipp 1: Kennen Sie Ihre Rechte
Kommen sie auf einer zwischenmenschlichen Ebene nicht zu ans Ziel, sollten Sie Ihre Rechte im Bezug auf das Kind kennen. Je besser Sie Ihre Rechte kennen, desto besser können Sie im Hinblick auf die Situation vorgehen.
Tipp 2: Ziehen Sie das Gericht zur Lösungsfindung hinzu
Das Gericht wird nach dem verhandeln, was den Interessen des Kindes am meisten entspricht. Diese Feststellung ist nur möglich, wenn beide Elternteile in die Lösungsfindung einbezogen werden und das Gericht die Elternteile auf diesem Weg begleitet. Es hilft Ihnen, in mehreren Schritten an Ihr Ziel zu gelangen.
Tipp 3: Das Gericht kann auf Antrag ebenfalls zwischen den beiden Eltern vermitteln
Verweigert ein Elternteil trotz gerichtlichem Beschluss den Umgang mit dem Kind, kann auf Antrag ebenfalls zwischen den beiden Eltern vermittelt werden.
Ein Elternpaar ist geschieden. Aus der Ehe sind zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen. Das Umgangsrecht wurde anfangs einvernehmlich abgesprochen, später gerichtlich geregelt. Die Kinder leben bei einem Elternteil. Dieser hält sich aber nicht an die Vereinbarungen. Steht der andere Elternteil vor der Tür und will in Wahrnehmung seines Umgangsrechts die Kinder abholen, erfindet der betreuende Elternteil irgendwelche wichtigen Termine im Verein, in der ärztlichen Praxis oder in der Schule. Er behauptet, das Kind sei krank, fahre zu den Großeltern oder er öffnet einfach nicht die Tür. Der andere Elternteil fordert beim Familiengericht sein Umgangsrecht ein. Da dazu der betreuende Elternteil gehört werden muss, muss das Gericht den Termin wegen dessen fortlaufender Terminabsage immer wieder verschieben. Er erzählt den Kindern, der andere Elternteil sei ein Lump und wolle ohnehin nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Dieser kann sich nur über die Verfahrensverschleppung beklagen und ist verzweifelt.
Die Thematik ist brisant und hochaktuell. Elternteile haben das Gefühl, völlig machtlos zu sein und verlieren sich in Wut, Resignation oder in erfolglosen Maßnahmen. Möchten Sie Ihr Umgangsrecht zielgerichtet einfordern, sollten Sie wissen, welche Möglichkeiten das Gesetz hierfür bereithält.
Die dazu bestehenden Vorschriften im Gesetz erscheinen nur auf den ersten Blick theoretisch. Tatsächlich greifen diese Vorschriften auf, was sich in der Praxis tagtäglich abspielt. Da Sie offenbar auf zwischenmenschlichen Wegen nicht ans Ziel kommen, werden Sie nicht umhinkommen, Ihre Rechte anderweitig durchzusetzen. Je besser Sie Ihre Rechte kennen, desto strategischer können Sie Ihren Umgang mit der Situation gestalten. Auch brauchen Sie sich nicht auf gut gemeinte Ratschläge zu verlassen.
Expertentipp: Sie dürfen die rechtlichen Vorgaben nicht als der Weisheit letzter Schluss verstehen. Der Gesetzgeber gibt dem Familiengericht ein Instrumentarium an die Hand, mit dem es die oft verfahrene Situation irgendwie bewältigen soll. Das Gericht soll vorrangig kein Urteil sprechen, sondern im Gespräch mit den Eltern nach Lösungen suchen. Soweit Elternteile sich nicht einsichtig zeigen, kann das Gericht Wege vorgeben, die die Elternteile „mit sanfter Gewalt“ auf eine Lösung hinführen. Wenn Sie diese Vorgaben im Detail kennen, können Sie Ihre Situation wesentlich realistischer einschätzen und sich so verhalten, dass eine Lösung zumindest wahrscheinlicher wird.
Anleitung zum Sorgerecht
Es gibt eine ganze Reihe gerichtlicher Entscheidungen, wenn Elternteile den Umgang mit dem Kind verweigern. Auch wenn jeder Fall individuell zu beurteilen ist, gibt das Gesetz Richtlinien vor, nach denen Gerichte und Elternteile vorgehen können. Wenn Sie die gesetzlichen Regelungen kennen, sollten Sie den Mut aufbringen, Ihren Weg weiter zu verfolgen. Die gesetzlichen Regelungen lassen die Absicht der Gesetzgebung erkennen, möglichst nicht im Wege eines autoritär erscheinenden Urteils eine Entscheidung zu treffen. Vielmehr geht es darum, festzustellen, was den Interessen und dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Diese Feststellung ist nur möglich, wenn beide Elternteile in die Entscheidungsfindung einbezogen werden und das Gericht die Elternteile auf diesem Weg begleitet.
Das Gesetz zeichnet in mehreren Stufen den Weg auf, wie Sie ans Ziel kommen.
Rechtsgrundlage des Umgangsrechts ist § 1684 BGB. Danach ist jeder Elternteil zum Umgang mit den Kind berechtigt, aber auch verpflichtet. Umgekehrt hat auch das Kind ein Recht auf Umgang mit jedem seiner Elternteile. Wenn ein Elternteil also den Umgang verweigert, missachtet er das Recht des anderen auf Umgang und missachtet zugleich das Recht des Kindes, mit beiden Elternteilen Umgang zu haben.
Elternteile haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Gegebenenfalls entscheidet das Familiengericht über den Umfang des Umgangsrechts und seine Ausübung.
Ihr Umgangsrecht stößt dann an Grenzen, wenn das Wohl des Kindes beeinträchtigt ist oder beeinträchtigt erscheint. Hierzu gibt es eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen. So müssen Sie beispielsweise mit Einschränkungen oder gar der Verweigerung des Umgangsrechts rechnen, wenn Sie das Kind gegen den betreuenden Elternteil aufhetzen, zum Lügen aufstacheln oder sonst den anderen Elternteil in ein schlechtes Licht rücken. Auch ein massiv aggressives Verhalten gegenüber Kindesmutter, Jugendamt oder Gericht kann den Umgang vereiteln.
Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen.
Um Ihr gesetzliches begründetes Umgangsrecht umzusetzen, trifft das Familienverfahrensgesetz (FamFG) folgende Regelungen:
§ 155 FamFG bestimmt ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot. Dieses Gebot beinhaltet folgende Verfahrensschritte:
§ 156 FamFG verpflichtet das Gericht, auf ein Einvernehmen der Elternteile hinzuwirken:
Gut zu wissen: Streiten Sie vor Gericht über das Umgangsrecht, riskieren Sie, dass Sie ein Kind in schwerste Loyalitätskonflikte stürzen. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn das Kind einem Verfahrensbeistand erklären soll, ob es lieber bei Mama oder Papa sein möchte. Um genau diese Situation zu verhindern, schreibt das Gesetz die Mediation und die außergerichtliche Beratung durch kompetente Institutionen vor.
Haben Sie vor Gericht erreicht, dass Ihnen Ihr Umgangsrecht gewährt werden muss, sind Sie noch nicht am Ziel. Der betreuende Elternteil muss noch immer bereit sein, die gerichtliche Entscheidung anzuerkennen und das Umgangsrecht einzuräumen. Vereitelt oder erschwert der betreuende Elternteil das Umgangsrecht, kann das Gericht auf Antrag zwischen den Eltern vermitteln. § 165 FamFG regelt den Verfahrensablauf:
Die Teilung der Güter wäre leichter, wenn ihr die Teilung der Ansprüche vorausging.
Haben Sie einen richterlichen Beschluss, in dem das Gericht Ihr Recht auf Umgang festgestellt hat oder haben Sie vor Gericht einen entsprechenden Vergleich geschlossen, könnten Sie versuchen, Ihr Umgangsrecht zwangsweise zu realisieren und es mit staatlicher Unterstützung vollstrecken. Beachten Sie, dass eine Umgangsvereinbarung, die Sie außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens mit dem anderen Elternteil getroffen haben, nicht der Zwangsvollstreckung unterliegt. Theoretisch könnten Sie wie folgt vorgehen. Ob dieser Weg praktisch ratsam ist, erörtern wir später.
Gut zu wissen: Der Elternteil, der das Kind betreut, muss bei der Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung aktiv mitwirken. Dabei muss der Elternteil „Recht und Vernunft“ über die eigene innere Zerrissenheit stellen. Der Elternteil darf sich nicht einfach passiv verhalten und erst recht nicht das Kind so manipulieren, dass es den Umgang mit dem anderen Elternteil verweigert.
Unmittelbarer Zwang bedeutet, dass Sie den Gerichtsvollzieher beauftragen, der in der Wohnung des betreuenden Elternteils vorstellig wird und das Kind zur Durchführung des Umgangs herausverlangt. Als umgangsberechtigter Elternteil sind Sie selbst aber nicht berechtigt, unmittelbaren Zwang anzuwenden und das Kind auf eigene Faust wegzunehmen. Weigert sich der betreuende Elternteil noch immer, kann der Gerichtsvollzieher polizeiliche Unterstützung beiziehen. Gelingt die Aktion, können Sie das Kind für den Zeitraum des vereinbarten Umgangs zu sich nehmen.
Sie können versuchen, Ihr Umgangsrecht mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen und einen richterlichen Beschluss gegebenenfalls zwangsweise vollstrecken. Allerdings ist zu bedenken, dass dieser Weg schwierig ist und alle Beteiligten mit hoher Wahrscheinlichkeit emotional extrem belastet. Gerade die Durchsetzung eines Gerichtsbeschlusses mithilfe eines Gerichtsvollziehers kann für das Kind eine extreme Konfliktsituation darstellen. Deshalb kann die Zwangsvollstreckung mittels Gerichtsvollziehers in Extremsituationen durchaus auch verweigert werden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 1.4.2008, Az. 1 BvR 1620/08). Auch wenn die vollstreckungsrechtlich mögliche Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den betreuenden Elternteil in Erwägung gezogen wird, wird die Festsetzung unterbleiben, wenn dadurch auch die wirtschaftliche Situation des Kindes gefährdet wird.
Gut zu wissen: Geht es um Kinder, sollten pragmatische Lösungen gefunden werden. Hat ein betreuender Elternteil die mehr oder weniger begründete Befürchtung, dass der umgangsberechtigte Elternteil die Autorität des anderen durch Herabsetzungen und Misstrauensbekundung gefährdet, sollten die Eltern ein begleitetes bzw. betreutes Umgangsrecht in Betracht ziehen. Dann wird der Umgang von einer Vertrauensperson begleitet, die beispielsweise vom Jugendamt gestellt wird. Der betreute Umgang bietet auch die Möglichkeit, das Kind zu übergeben, ohne dass die Eltern sich in die Augen sehen müssen. Dies kann in Extremfällen Stresssituationen auch für das Kind vermeiden. Auch wenn diese Lösung nicht der Weisheit letzter Schluss ist, kann sie einen Weg öffnen, auf dem die Elternteile Vertrauen aufbauen und sich besseren Lösungsansätzen nicht mehr völlig verschließen.
Wir haben in diesem Textbeitrag vornehmlich die rechtlichen Gegebenheiten aufgezeigt. Der Gesetzgeber will dem Familienrichter ein Instrumentarium an die Hand geben, mit dem er die Problematik bestenfalls bewältigen kann. Einfache Lösungen dürfen Sie jedenfalls nicht erwarten. Sind Sie darauf angewiesen, Ihr Umgangsrecht gerichtlich durchsetzen zu müssen, gehen Sie einen schwierigen Weg. Der Weg lohnt sich, wenn Sie wissen, wie ein Verfahren abläuft, wenn Sie die mit diesem Verfahren verbundenen Ungewissheiten akzeptieren und Sie Ihr Kind so gut wie möglich aus dem Verfahren heraushalten können.
Geschrieben von: Volker Beeden