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Här­te­fall­schei­dung

Bild: Härtefallscheidung

Wie kann ich mich bei ei­nem Här­te­fall mög­lichst schnell schei­den las­sen?

Möglicherweise haben Sie etwas von einer Härtefallscheidung gehört und möchten nun wissen, was es damit auf sich hat und ob eine Härtefallscheidung auch in Ihrem Fall möglich ist. Eines vorweg: Härtefallscheidungen sind absolute Ausnahmefälle und kommen nur in Betracht, wenn gewichtige Gründe vorliegen, sofort und bedingungslos geschieden zu werden. Setzen Sie also sachliche Kriterien über Ihre Empfindungen.

Kur­ze Zu­sam­men­fas­sung

  • Scheidungen bedeuten immer eine emotionale und wirtschaftliche Härte. Dennoch fordert das Gesetz, dass Sie das Trennungsjahr einhalten. Nur in besonderen Fällen einer Härtefallscheidung erscheint das Trennungsjahr verzichtbar.
  • Das Gesetz erlaubt eine Härtefallscheidung vor Ablauf des Trennungsjahres, wenn in der Person Ihres Ehegatten Gründe vorliegen, die es Ihnen unzumutbar machen, Ihre Ehe bis zum Ablauf des Trennungsjahres auch nur formal aufrechtzuerhalten.
  • Wichtige Gründe für eine Härtefallscheidung müssen so schwergewichtig sein, dass sie über die normalen Härten einer Scheidung hinausgehen und es geboten erscheinen lassen, dass Sie tatsächlich sofort geschieden werden.

Prak­ti­sche Tipps für Sie

Tipp 1: Härtefall nachweisen 
Wenn Sie sich auf einen Härtefall berufen, müssen Sie diesen auch nachweisen können. Schaffen Sie dies nicht, riskieren Sie, dass Ihr Antrag erfolglos bleibt und Sie dennoch die Kosten tragen müssen.

Tipp 2: Dauer der Scheidung abwägen
Wägen Sie gut ab, ob es sich lohnt, die Härtefallscheidung anzustreben, oder ob eine reguläre Scheidung nach dem Trennungsjahr für Sie vorteilhafter ist. 

Tipp 3: Hilfe in Anspruch nehmen
Nehmen Sie Hilfe und Beratung in Anspruch und schützen Sie sich. Im Fall von häuslicher Gewalt können Sie sich die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuweisen lassen.

Wo­zu ei­ne Här­te­fall­schei­dung?

Scheidungen sind so gut wie immer mit Härten verbunden. Dennoch ist nicht jede Scheidung gleich eine Härtefallscheidung. Normalerweise können Sie frühestens dann geschieden werden, wenn Sie mindestens ein Jahr von Ihrem Partner getrennt gelebt und die Trennung auch räumlich vollzogen haben. Es ist die Rede vom Trennungsjahr. Das Trennungsjahr hat den Zweck, dass Sie sich wirklich klarwerden, ob Sie tatsächlich geschieden werden wollen. Umgekehrt ergibt das Trennungsjahr keinen Sinn, wenn sich Ihre Lebensverhältnisse aufgrund des Verhaltens Ihres Ehegatten so gestalten, dass es Ihnen unzumutbar ist, das Trennungsjahr abwarten zu müssen. In diesen Fällen ermöglicht das Gesetz eine Härtefallscheidung.

Was sagt das Ge­setz?

Sie können bereits vor Ablauf des Trennungsjahres vorzeitig geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für Sie aus Gründen, die in der Person Ihres Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würden (§ 1565 Abs. II BGB). Wichtig: Die Unzumutbarkeit bezieht sich auf die formale Aufrechterhaltung der ehelichen Verbindung, nicht bloß auf die Fortsetzung des Zusammenlebens.

Der Familienrichter muss sich an dieser gesetzlichen Vorgabe orientieren und kann Ihre vorzeitige Scheidung nur aussprechen, wenn Sie die Voraussetzungen dieses Tatbestandes nachweisen. Da es sich dabei um eine Ausnahme von der Regel handelt, wird eine solche Härtefallscheidung nur in besonderen Fällen möglich sein. Vielleicht erleichtert es Ihnen das Verständnis, wenn Sie Ihre Ehe als einen Vertrag betrachten. Verträge sind normalerweise nur mit ordentlicher Kündigungsfrist kündbar. Ist die Fortsetzung eines Vertrages aber aus wichtigem Grunde unzumutbar, kommt auch die fristlose außerordentliche Kündigung in Betracht. Die Härtefallscheidung ist letztlich nichts anderes als eine Art fristlose außerordentliche Kündigung des Ehevertrages, bei der es Ihnen nicht zuzumuten ist, auf die fristgerechte ordentliche Kündigung verwiesen zu werden.

Was macht ei­ne Här­te­fall­schei­dung aus?

Der wichtige Grund muss in der Person Ihres Ehepartners liegen. Gründe, die sich aus Ihren eigenen Lebensverhältnissen ergeben, bleiben außer Betracht. Möchten Sie also beispielsweise schnell wieder heiraten, ist dies kein Grund für eine Härtefallscheidung. Haben Sie sich auseinandergelebt, so dass Ihre Ehe als gescheitert zu betrachten ist, ist Ihre Lebensführung ohnehin beeinträchtigt. Subjektive Befindlichkeiten oder eine überschäumende Aversion gegen Ihren Ehegatten genügen nicht.

Auch eine grundlose Eifersucht, Abscheu gegenüber dem Partner oder die Aufnahme einer außerehelichen Beziehung oder übelste Beschimpfungen genügen nicht, um als wichtiger Grund für eine Härtefallscheidung anerkannt zu werden. Auch die Tatsache, dass Sie infolge der Trennung der Depression verfallen und einen Ausweg nur darin sehen, sofort geschieden zu werden, begründet keinen wichtigen Grund für eine Härtefallscheidung.

Dass es sich bei der Härtefallscheidung um ein Regel-Ausnahmeverhältnis handelt, sehen Sie allein schon daran, dass die absolute Mehrzahl vorliegender Gerichtsentscheidungen vorgetragene Gründe nicht für eine Härtefallscheidung akzeptiert hat und lediglich in absoluten Ausnahmefällen die sofortige Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres zugestanden wurde.

Grün­de für und ge­gen ei­ne Här­te­fall­schei­dung

Gründe gegen eine Härtefallscheidung

Bei folgenden Punkten wurde von deutschen Gerichten kein Härtefall angenommen:

  • häufiger Streit mit dem Ehepartner
  • übermäßige Eifersucht
  • eine sorglose Haushaltsführung

Gründe für eine Härtefallscheidung

Wichtige Gründe in der Person des einen Ehepartners, die dem anderen das Trennungsjahr unzumutbar machen, wurden in folgenden Fällen anerkannt. Beachten Sie dabei, dass es trotz alledem stets auf die Gegebenheiten im Einzelfall ankommt, Urteile immer Einzelfälle zum Gegenstand haben und nicht verallgemeinert werden dürfen. Die Gerichte erwarten, dass Sie Härtegründe substantiiert vortragen und stellen sehr strenge Anforderungen an die Unzumutbarkeit. Damit soll der Versuchung entgegengetreten werden, Härtegründe vorzutäuschen, um eine sofortige Scheidung zu ermöglichen.

  • Fortgesetzte, schwere Misshandlungen (OLG Stuttgart 17 WF 98/88);
  • Nachhaltige und ernstzunehmende Morddrohungen gegenüber dem Ehepartner (OLG Brandenburg 9 UF 166/100);
  • Verletzung der ehelichen Treuepflicht: Vor allem hier entscheiden die Umstände des Einzelfalls. Ein Härtegrund wurde zugestanden bei der Schwangerschaft aus einer außerehelichen Beziehung (OLG Frankfurt FamRZ 2006, 625), nicht aber allein aufgrund offenbarter Homosexualität (OLG Nürnberg FamRZ 2007, 1885). Vielfach wird darauf abgestellt, dass es dem Partner gerade darauf ankommt, die Ehe durch sein Verhalten zu zerstören und den Partner endgültig zu verlassen;
  • Zusammenleben des Ehegatten in der vormals ehelichen Wohnung mit dem neuen Lebensgefährten (OLG Köln FamRZ 1999, 723);
  • Offen ausgelebte Alkohol- oder Drogenabhängigkeit des Partners, in Verbindung mit erfolglosen Entziehungskuren und Tätlichkeiten gegen die Ehefrau und Kinder (AG Bamberg FamRZ 1980, 577);
  • Sexuelle Erniedrigung durch den Ehegatten, beispielsweise durch Geschlechtsverkehr mit 19-jähriger Tochter der Ehefrau aus einer früheren Ehe (Schles SchlHA 1977, 187);
  • Aufnahme der Prostitution nach der Trennung (OLG Bremen 5 WF 66/95);
  • Heirat zwecks Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung (AG Offenbach 311 F 731/92).

As­pek­te ge­gen die Här­te­fall­schei­dung

Ist Ihre Ehe gescheitert, müssen Sie in der Regel das Trennungsjahr vollziehen. Wenn Sie räumlich getrennt leben, sollte allein die Tatsache, dass Sie formal vorerst verheiratet bleiben, nicht unbedingt ein Grund sein, sich auf das Risiko einzulassen, vorzeitig einen Scheidungsantrag bei Gericht einzureichen. Das Risiko ist hoch, dass es Ihnen nicht gelingt, ausreichend zu begründen, warum aus in der Person Ihres Ehegatten liegenden Gründen eine sofortige Scheidung geboten und es Ihnen nicht zuzumuten ist, wenigstens formal den Ablauf des Trennungsjahres abzuwarten. Sie müssen damit rechnen, dass Ihr Ehegatte sich persönlich angegriffen fühlt und die vorgetragenen Gründe für eine Härtefallscheidung bestreitet. Sie laufen damit Gefahr, dass sich die Auseinandersetzung nicht zuletzt im Hinblick auf die Arbeitsüberlastung der Justiz über Monate hinwegzieht und bis zu einer Entscheidung das Trennungsjahr ohnehin abgelaufen ist. Wir sprechen also im Regelfall über allenfalls wenige Monate, die Sie im Fall einer für Sie erfolgreichen Härtefallscheidung gewinnen. Sollte jedoch Ihr Scheidungsantrag vor Ablauf des Trennungsjahres zurückgewiesen werden, gehen nicht zuletzt auch sämtliche Gerichts- und Anwaltsgebühren zu Ihren Lasten.

Aus­blick

Ein Antrag auf eine Härtefallscheidung kann ein echtes Vabanquespiel darstellen. Wägen Sie zeitlich und emotional ab, ob Ihnen dieser Weg so viel wert ist, dass Sie unbedingt vor Ablauf des Trennungsjahres aktiv werden wollen. Da Sie den Scheidungsantrag ohnehin nur über einen Rechtsanwalt beim Familiengericht einreichen können, sollten Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen und der Praxiserfahrung Ihres Rechtsanwalts vertrauen.

Geschrieben von: Heinrich von Südhoff

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