Trennung und Kind

Umgangsrecht: erst zum Jugendamt oder direkt zum Gericht?

Donnerstag, 14. Januar 2021, geschrieben von .

Umgangsrecht: erst zum Jugendamt oder direkt zum Gericht?

Wünschen Sie ein Umgangsrecht für Ihr Kind, können Sie direkt beim Familiengericht beantragen, den Umgang mit Ihrem Kind zu regeln. Sie sind nicht verpflichtet, vorher den Streit mithilfe des Jugendamts außergerichtlich beizulegen (Oberlandesgericht Zweibrücken, Beschluss vom 12.11.2020, Az. 2 UF 139/20).

Im Fall des OLG Zweibrücken hatte der Vater eines Kindes beim Amtsgericht Ludwigshafen beantragt, den Umgang mit seinem Kind zu regeln. Das Amtsgericht wies seinen Antrag zurück. Es fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Vielmehr sei der Vater verpflichtet, vorher mit Hilfe des Jugendamtes eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Dieser Ansicht erteilte das Oberlandesgericht Zweibrücken eine Absage. Eine Umgangsregelung könne nicht von dem vorherigen Versuch einer außergerichtlichen Lösung unter Einbeziehung des Jugendamtes abhängig gemacht werden. Vielmehr sei das Gericht von Amts wegen verpflichtet, die für eine Umgangsregelung wesentlichen Umstände selbst zu ermitteln.

Nun stellt sich aber die Frage: Ist es dennoch sinnvoll, zunächst das Jugendamt mit einzubeziehen, um eine Umgangsregelung zu vereinbaren, oder sollten betroffene Eltern direkt das Familiengericht anrufen?

Wie gelingt eine Umgangsregelung?

Betreuen Sie Ihr gemeinsames Kind nicht in Ihrem Haushalt, haben Sie ein gesetzliches Umgangsrecht(§ 1684 BGB). Verweigert der betreuende Elternteil Ihr Umgangsrecht, hat das Familiengericht verschiedene Möglichkeiten, den betreuenden Elternteil dazu zu bewegen, sich auf ein angemessenes Umgangsrecht mit dem gemeinsamen Kind zu verständigen.

Da Sie eine schnelle Regelung nicht unbedingt erwarten dürfen, sind Sie immer gut beraten, sich idealerweise untereinander zu verständigen. Wenn beide Elternteile dabei das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt ihrer Gedanken stellen, können sie häufig eine angemessene Regelung finden. Gelingt Ihnen das nicht, müssen Sie den Umgang tatsächlich beim Familiengericht regeln lassen.

Beantragen Sie beim Familiengericht eine Umgangsregelung, ist das Gericht von Amts wegen verpflichtet, Ihren Antrag vorrangig zu bearbeiten und das Verfahren beschleunigt durchzuführen (§ 155 FamFG). Das Gericht kann spätestens einen Monat nach Antragstellung einen mündlichen Verhandlungstermin anberaumen. Im Regelfall wird das Gericht das Jugendamt beiziehen. Das Jugendamt ist ohnehin in Verfahren anzuhören, die das Kind betreffen (§ 162 FamFG). Die Anhörung kann schriftlich oder mündlich erfolgen.

Verweigert sich der betreuende Elternteil und will das Verfahren vorsätzlich verzögern, kann das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen und das Umgangsrecht auch vorläufig regeln.

Im mündlichen Termin soll das Gericht darauf hinwirken, dass sich die Elternteile ihrer Verantwortung für das gemeinsame Kind bewusst werden und sich untereinander wegen des Umgangs verständigen. Die Richterin bzw. der Richter kann dazu auf die Möglichkeiten der Beratung durch die Beratungsstellen der Kinder- und Jugendhilfe hinweisen. Vor allem uneinsichtige Elternteile können verpflichtet werden, an einer solchen Beratung teilzunehmen. Auch die Teilnahme an einem Informationsgespräch über die Möglichkeiten der außergerichtlichen Konfliktbeilegung kommt in Betracht.

Sollten die Elternteile hierbei Einvernehmen erzielen, kann das Gericht die Vereinbarung als Vergleich feststellen und die vereinbarte Umgangsregelung gerichtlich beschließen. Ein solcher gerichtlicher Beschluss wäre dann notfalls zwangsweise auch vollstreckbar.

Welche Rolle haben die Jugendämter?

Die Jugendämter sind Teil und Organ der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Im Sozialgesetzbuch (SGB VIII) regelt der Gesetzgeber umfangreiche staatliche Hilfen und Kontrollen, wenn es um die elterliche Sorge für Kinder und Jugendliche geht. Als Elternteil ist das Jugendamt Ihr direkter Ansprechpartner, wenn Sie sich wegen des Sorgerechts oder Umgangsrechts informieren und beraten lassen wollen.

Sowohl Kinder und Jugendliche als auch die Eltern haben einen direkten Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts. Kinder sollen vor allem darin unterstützt werden, dass das Umgangsrecht funktioniert. Das Jugendamt kann von den Eltern Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen. Darüber hinaus soll es bei der Herstellung von Umgangskontakten und bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen vermitteln und in geeigneten Fällen Hilfestellung leisten (§ 18 Abs. III SGB VIII).

Ist es eine gute Idee, das Jugendamt mit einzubeziehen?

Geht es um das Jugendamt, gibt es oft Vorbehalte. Die Jugendämter vollziehen allzu oft eine Gratwanderung, bei der das Wohl des Kindes gegen das Recht der Eltern am eigenen Kind abzuwägen ist. Jugendämter haben daher oft ein negatives Image. Das liegt daran, dass die Behörde in die Struktur von Familien eingreift und gerade alleinerziehende Elternteile das Gefühl haben, bevormundet zu werden.

Aufschluss über dieses Problem gibt auch der „Zustandsbericht zur Lage im Familienrecht in Deutschland“, an dem fast 1200 Eltern, Großeltern und Angehörige aktiv beteiligt waren. Danach sind 60 % der Eltern der Ansicht, das Jugendamt sei der Urheber für die Entfremdung, die das Verhältnis eines Kind zu einem Elternteil häufig prägt (Quelle: Bayerischer Staatsanzeiger vom 20.12.2020). Jugendämter hätten oft falsche Eindrücke an das Gericht geschildert und Kontaktabbrüche durch das Berichtswesen begünstigt. Dass die Jugendämter bemüht und hilfreich waren, bestätigten lediglich 4 %. Die Initiatoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass die in die Studie einbezogenen 2000 Kinder in bedrückender Deutlichkeit zeigen, welch menschliches Leid durch das Familienrecht und die beteiligten Institutionen und Fachkräfte verursacht werde. Hochgerechnet treffe es jedes Jahr 25.000 - 40.000 Kinder.

Doch nicht nur die Mitarbeitenden der Jugendämter sind verantwortlich für diese Probleme. Geht es um das Umgangsrecht, betrachtet jeder Elternteil die Situation aus der eigenen Sicht. Erfahrungsgemäß stehen emotionale Aspekte im Vordergrund, während rationale Erwägungen in den Hintergrund treten. Wird ein Elternteil vom Jugendamt befragt, ist es Aufgabe und Geschick des Mitarbeitenden des Jugendamtes, die Gegebenheiten so zu interpretieren, wie sie wirklich sind. Leider gelingt es Elternteilen offenbar immer wieder, eine Scheinwirklichkeit vorzugaukeln und den anderen Elternteil in ein denkbar schlechtes Licht zu rücken. Dann ist es auch für den Mitarbeitenden des Jugendamts schwierig, diese Scheinwelt von der Wirklichkeit zu unterscheiden.

Trotz dieser Probleme gilt aber: Gerade dann, wenn Sie als Elternteil im Hinblick auf Ihre Trennung und Scheidung vom Ehepartner in einer schwierigen sozialen Situation stehen, sollten Sie die Unterstützung des Jugendamtes als Option verstehen. Wenn Sie also ein Umgangsrecht für Ihr Kind wünschen, kann es durchaus empfehlenswert sein, das Jugendamt einzubeziehen. Sie profitieren zumindest vom Sachverstand der Jugendamtsmitarbeiter. Bestenfalls werden Ihnen Wege aufgezeigt, wie Sie den betreuenden Elternteil einbeziehen und Ihr Umgangsrecht realisieren.

Alles in allem

Das Jugendamt ist eine durchaus brauchbare Adresse. Von Gesetzes wegen sollte es in Angelegenheiten Ihres Kindes Ihr Ansprechpartner sein. Zwar haben Sie keine Garantie für den Erfolg einer angemessenen Umgangsregelung. Dennoch ist es in vielen Fällen besser, eine außergerichtliche einvernehmliche Regelung unter Einbeziehung des Jugendamtes anzustreben, als es auf eine streitige gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen. Außerdem wird das Familiengericht das Jugendamt im Regelfall sowieso einbeziehen, was zusätzlich für eine frühzeitige Einbeziehung des Jugendamtes spricht. Ein Versuch sollte es Ihnen alle Mal wert sein.

e1825674e1b1422faa9f642e521a9f5b

iurFRIEND® ist Ihr Rechtsfreund
für viele Rechtsangelegenheiten.
Wir bieten allen Menschen mit Rechtsproblemen einen kostenlosen Einstieg in die Welt des Rechts:
Ratgeber - Checklisten & Formulare - Gratis-InfoPakete - Orientierungsgespräche

Frage online stellen

oder

Direkt kostenlos anrufen

0800 34 86 72 3